Telemedizinische Falldatenkommunikation in interoperablen Netzwerken

Ergebnisse

Bausteine für die „medizinische Falldatenkommunikation in interoperablen Netzwerken“

FALKO.NRW feiert erfolgreichen Projektabschluss

FALKO & Friends beim Projektabschluss mit Gastgeberin Simone Lauer (Bildmitte vorne)
im Marienhospital Herne

Als sich im Jahre 2015 die Spitzen der vier Ruhr-Universitätskliniken Bergmannsheil, Katholisches Klinikum Bochum, Knappschaftskrankenhaus Langendreer und Marienhospital Herne mit der MedEcon-Geschäftsstelle zur Besprechung der gemeinsamen Projektidee trafen, war die Ausgangssituation diese: Vier Unikliniken in jeweils eigenen Trägerverbünden ver¬fügen über unterschiedliche IT-Systeme und jeweils eigene Strategien und Prozesse bei der Digitalisierung ihrer Häuser. Die Falldatenkommunikation bei Verlegungen und Konsilanfragen erfolgt per Fax, Brief, CD oder Telefon. Lediglich der radiologische Bildaustausch läuft bereits routinemäßig über die Infrastruktur des Westdeutschen Teleradiologieverbundes (TRV).

Also setzten sich die vier Projektkrankenhäuser unter Beteiligung von acht weiteren Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft das Ziel, den Datenaustausch zwischen den Häu¬sern zu verbessern. Auf der Basis des TRV sollten nicht mehr allein die radiologischen Bilddaten, sondern alle für den jeweiligen Fall relevanten Dokumente im Senderhaus digital konsolidiert und versendet werden. Im Empfängerhaus sollten die Daten der „fremden“ Systeme so vereinheitlicht empfangen werden können, dass diese für die Weiterbehandlung oder Konsilbearbeitung in der jeweils eigenen IT-Struktur genutzt werden können.

Der Schlüssel zur Interoperabilität: Standards!

Die größte Herausforderung für eine erfolgreiche Kommunikationsstruktur unterschiedlichster Leistungserbringer bis hin zu den Patienten war und ist die durchgängige Interoperabilität der beteiligten Komponenten. Im Bereich der medizinischen Softwaresysteme setzt sich hier eine herstellerübergreifende Einigung auf IHE-Profile durch (IHE = Integrating the Healthcare Enterprise). IHE definiert die Anwendung bestehender Standards in anwendungsbezogenen Integrationsprofilen. Für das Projekt FALKO.NRW wurden zwei dieser Profile (Portable Date for Imaging, PDI und Cross-Enterprise Document Media Interchange, XDM) kombiniert, um den gemeinsamen Austausch von z.B. Röntgenbildern und Arztbriefen unter Verwendung eines Mediums (z.B. E-Mail) zu ermöglichen. Diese Kombination ist durch zwei Änderungsvorschläge (Correction Proposals) bereits von IHE für die Profiltexte von PDI und XDM übernommen worden.

Die Anwendung des Cross-Enterprise Document Media Interchange (IHE XDM) Profils ermöglicht den Austausch verschiedenster medizinischer Dokumente unter der Verwendung einer definierten Datei-und Verzeichnisstruktur unter Nutzung von E-Mail Diensten. Damit ist das Profil prädestiniert für den Einsatz im FALKO.NRW Projekt, um das Ziel des Austauschs von medizinischen Dokumenten über Einrichtungs- und IT-Systemgrenzen hinweg bis hin zu den Patienten und Ihren Daten auf PC, CD, Stick oder in einer Patientenakte zu realisieren.

Nach intensiver Konzeptionsphase und drei Jahren öffentlich geförderter Forschung und Entwicklung wurden am 15. Februar 2019 die Projektergebnisse bei der öffentlichen Abschlussveranstaltung vorgestellt.

Konkrete Ergebnisse (Auswahl):

Krankenhaus-Krankenhaus-Kommunikation

Zwischen den Projektkrankenhäusern konnte auf der Basisinfrastruktur des Teleradiologieverbundes die Zusammenstellung, der Versand und der Empfang kompletter Falldatensets anhand unterschiedlicher Behandlungsszenarien (Unfallchirurgie, Geriatrie, Nephrologie, Kardiochirurgie, Kardiologie,…) umgesetzt werden. Die auszutauschenden Dokumentensets (z.B. Arztbrief, Labor, EKG, Röntgenbilder,…) wurden von den Behandlern definiert. Die technische und semantische Interoperabilität (Benennung der Dokumente, Patienten-ID, …) wurde über die Zusammenarbeit der IT-Leiter mit der Expertise der Projektpartner IHE Deutschland, Hochschule Niederrhein, DMI und VISUS erreicht. Im Projekt konnten bereits reale Patientenverlegungen mit der neuen Technik unterstützt werden. Für die Verlegung am Montag wurden bspw. bereits am Freitag vorher alle notwendigen Unterlagen elektronisch und vollständig vom verlegenden Haus an die weiterbehandelnde Klinik versandt – ein qualitative Prozessverbesserung, die darüber hinaus auch für die beteiligten Anwender im Krankenhaus Zeit und Nerven spart.

Intersektorale Kommunikation

Für den Dokumentenaustausch zwischen den Kliniken und kooperierenden niedergelassenen Ärzten wurde das für den Bilddatenaustausch konzipierte Gateway des TRV mit der elektronischen Fallakte (EFA) verknüpft. Über den neu geschaffenen Knotenpunkt können nun Falldokumente von den TRV-Krankenhäusern an die EFA der beiden Fallaktenprovider Rechenzentrum Volmarstein (RZV) und HealthCare IT Solutions (HITS) übergeben werden.

Umgekehrt erhalten die niedergelassenen Partner die Möglichkeit dem Krankenhaus eigene Zuweisungsdokumente zur Verfügung zu stellen bzw. Dokumente des Krankenhauses nach der Behandlung einzusehen. Über den Virtuellen Case Assistent, der mit den Projektpartnern contec und CompuGroup Medical prototypisch erarbeitet wurde, lassen sich die Dokumente der ambulanten Versorgungseinrichtungen zusätzlich mit weiteren Prozessempfehlungen anwenderfreundlich verwenden.

Uploadportal

Zu den Krankenhäusern und Arztpraxen wurden zwei weitere Gruppen in den Behandlungsverlauf einbezogen – Rehakliniken und die Patienten selbst. Rehakliniken erhalten Patienten von vielen unterschiedlichen Zuweisern mit einem teils sehr großen Einzugsbereich. Nicht alle zuweisenden Einrichtungen sind aber bereits an die Kommunikationsinfrastruktur des TRV angebunden und dennoch ist der frühzeitige und elektronische Erhalt kompletter Falldaten für die Anschlussheilbehandlung wichtig. Für diesen Fall wurde ein Uploadportal entwickelt, welches den Patienten selbst das frühzeitige Bereitstellen vorhandener Behandlungsdaten (gescannte Dokumente, Patienten-CDs) vom eigenen PC aus ermöglicht. Über das empfangende TRV-Gateway in der Reha-Klinik ist die professionelle und strukturierte Verwendung der empfangenen Daten in den Krankenhaussystemen der Portalanbieter gesichert. Der Echtbetrieb bei den ersten Pilotanwendern läuft bereits erfolgreich und kann nun ausgeweitet werden.

Notfallkonsil / Rettungsdienstkommunikation

Das Notfallkonsil wurde mit dem Universitätsklinikum Münster als zentralem Konsilpartner für zahlreiche regionale Krankenhäuser entwickelt. Auch hier stellen die peripheren Kliniken definierte Dokumentensets aus dem eigenen KIS/PACS nutzerfreundlich zusammen und versenden dieses Set gemeinsam mit einer vorkonfigurierten Konsilanfrage über den TRV an den zentralen Konsilgeber. Das Uniklinikum Münster erhält die elektronische Konsilanfrage, der zuständige Behandler eine push-Nachricht. Die Konsilanfrage kann – vorsortiert nach Dringlichkeit per Ampelsystem – direkt beantwortet werden. Die Übernahme der zugesandten Dokumente kann z.B. bei beabsichtigter Übernahme des Notfalls zur Weiterbehandlung oder zur Dokumentation des Konsils direkt in die eigenen Systeme übernommen werden.

Mit dem Bochumer Rettungsdienst wurde die Anbindung der Rettungswagen über die FALKO-Kerninfrastruktur an die aufnehmenden Krankenhäuser erarbeitet. Das erarbeitete Konzept sieht vor, dass das bestehende Notarztprotokollerfassungssystem dahingehend erweitert wird, die elektronisch erfassten Notarztprotokolle ohne Medienbruch direkt digital als PDF per XDM E-Mail an die Notaufnahme des aufnehmenden Krankenhauses zu senden. Dies geschieht direkt aus dem Notarztwagen heraus. Damit liegen wichtige Patienteninformationen noch vor dem Eintreffen des Rettungswagens im aufnehmenden Haus vor.

 

Die feierliche Abschlussveranstaltung des Projektkonsortiums diente insbesondere zwei Zielen: Zum einen wurden die erarbeiteten Projektergebnisse der Fachöffentlichkeit und dem Fördergeber vorgestellt. Zum anderen leitete die hochkarätige Abschlussdiskussion unter dem Motto „FALKO… und was nun?“ bereits die nächsten Schritte für die Weiterentwicklung und den Roll-out der FALKO-Lösungen ein. Knapp 100 Experten aus Krankenhaus, Wissenschaft und Medizinischer IT-Industrie diskutierten die nun kommenden Schritte der Verstetigung einer „Medizinischen Falldatenkommunikation in interoperablen Netzwerken“. Interessenten für die neuen Lösungen oder Partner zur Weiterentwicklung steht die Projektleitung bei MedEcon Ruhr gerne als Ansprechpartner zur Verfügung.